Gedanken des Projektleiters Christoph Scholz
An diesem Sonntag erklingen in der Schutzengelkirche Kompositionen Mozarts zu Marienfesten und das Offertorium „Misericordias Domini“. Das „Misericordias Domini“ ist eine fantastische Komposition des jungen Mozarts. Eigentlich ist es eine Motette im Alten Stil, aber mit modernen, sozusagen modischen Kommentaren.
Unter den Einzelwerken der für die Liturgie geschriebenen Kompositionen nehmen die Vertonungen für Marienfeste einen erheblichen Teil ein. Damit steht Mozart ganz in der katholischen Tradition Österreichs, Süddeutschlands und Südeuropas, wo die Marienfeste bis heute einen großen Stellenwert im liturgischen Jahreskreis haben. Mozarts Musik ist in diesen Kompositionen (z. B. „Alma Mater“, „Sancta Maria“) besonders eingängig, melodiös, geradezu süßlich. Sie ist sozusagen dem Anlass entsprechend „weiblicher“.
Wenn wir uns heute mit Kompositionen zu Marienfesten befassen, stellen sich uns doch theologische und weltanschauliche Fragen: Warum beten wir überhaupt zu Maria, wo unser dreieiniger Gott doch als „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ definiert und angerufen wird? Ist nicht Jesus unser Mittler, wenn wir „Fürsprache“ benötigen? Wieso dann „Sancta Maria…ora pro nobis“, also: Heilige Maria, bitte für uns?
Mir persönlich ist der Marienkult, die Anbetung und herausgehobene Verehrung Mariens gänzlich fremd. Für mich ist Maria, ganz in evangelischer Tradition, schlicht und einfach die Mutter Jesu, eine einfache junge Frau aus dem Volk, eben keine „Himmels- und keine Erdenkönigin“, sondern eine Frau wie Frauen heute sind. Und jetzt doch festliche Musik zu Marienfesten? Ich brauche eine Brücke. Natürlich könnte ich sagen, die Musik ist so schön, dass sie unbedingt aufgeführt werden muss. Außerdem machen wir ja eine Gesamtaufführung, da können wir ja die Marienkompositionen nicht einfach weglassen. Aber reicht das als Begründung?
Also noch einmal die Frage: Wieso wird Maria eine solch herausragende Stellung in der Kirche und in der Liturgie zugestanden, während z. B. Josef liturgisch und kirchlich fast keine Rolle spielt? Der Grund liegt wohl mehr in der Kirche und der gesellschaftlichen Situation als in der Bibel. Jesus wird in eine patriarchale Gesellschaftsform geboren und diese Grundsituation hat über Jahrhunderte putty , letztendlich ja bis heute Bestand. Viele Menschen erleben Männer als die Menschen, die in den Krieg ziehen, Gewalt ausüben, Frauen und Kinder missbrauchen, nach Macht streben und andere Menschen ausbeuten.
Wer solche Erfahrungen gemacht hat, tut sich möglicherweise schwer, einen männlichen Gott anzubeten. Wer von seinem Vater missbraucht wurde, wird auch Schwierigkeiten mit Gott-Vater haben, wer erlebt hat, wie eine Männergesellschaft ganze Generationen von Menschen aufs Spiel setzt, wird eine Sehnsucht nach einer anderen Weltmacht entwickeln. So stell´ ich mir vor, entwickelt man das Bedürfnis nach einer nicht-männlichen Instanz, an die man sich wenden kann. Neben all´ den Männern dieser Welt und auch unserer Religion könnte eine Himmelskönigin diese Lücke schließen. Ich kann jetzt nachvollziehen, dass gerade in Nachkriegszeiten dieses Muster zu besonderer Marienverehrung führt.
Ich hoffe, dass dieser Gottesdienst Anlass bietet
, über diese Fragen nachzudenken. Und ich hoffe, dass unsere Kirche und Welt in diesem Sinne femininer, „weiblicher“ wird und ihre patriarchalen Strukturen überwinden lernt. Und natürlich ist nicht zu vergessen, dass es schlicht und einfach ganz großartige Musik für Solisten, Chor und Orchester ist!!!